Nachrichten aus dem Versandhandel

Wie 1-2-3.tv Entscheidungen im Minutentakt optimiert

von Redaktion Versandhausberater

23.05.2008 - Als im Jahr 2000 das Internet erfunden wurde, dachten viele Versender, die Prozesse müssten deutlich schneller werden. Die Wahrheit ist: Damals war niemandem klar, wie sehr sich die Anforderungen an eine schnelle Informationsverarbeitung und Anpassung aller folgenden Stufen der Wertschöpfungskette ändern würde.
Katalog-Versender verweisen heute zufrieden auf eine Anpassung ihrer Preise im Monatsrhythmus. Business-Versender passen ihre Preise täglich im Internet an. Die Warenpräsentation im Onlineshop ändert sich wenigstens wöchentlich, besser täglich, bei manchen sogar mehrmals am Tag. Bei Online-Auktionen werden minütlich Auktionen neu eingestellt. Ein Teleshopping-Unternehmen reorganisiert jede Nacht sein komplettes Lager, um die hohen Abverkaufszahlen der Spot-Artikel effizient verarbeiten zu können.
Erfolgsanalyse jederzeit - in Echtzeit
Aber damit ist die Grenze noch nicht erreicht. Welche Informationsmengen in Echtzeit erfasst und ausgewertet werden müssen - und können -, zeigt derzeit kein Geschäftsmodell besser als das Auktionsfernsehen. Beim Teleshopping-Sender 1-2-3.tv bestimmen die Zuschauer über ein auktionsähnliches Verfahren den Preis der angebotenen Produkte selbst.
"Eigentlich sind wir von der Struktur her mit QVC, HSE24 oder RTL Shop vergleichbar", erläutert Norbert Matthäus, Leiter Planung bei 1-2-3.tv in Ismaning. Grundsätzlich erfolgt die Sendeplanung einen Tag im Voraus und auf Basis tagesaktueller Reports über die Auktionshistorie. "Aber wir verfolgen ein anderes Preismodell. Bei uns werden Preise nach oben gesteigert, oder - was am besten läuft - auf einen fallen Preis geboten. Das nennt sich Pricedrop. Außerdem gibt es noch ein Modell, bei dem sich die Prämien erhöhen, je später geboten wird."
Das heißt auch: Im Extremfall fällt der Preis auf 1 Euro. Der Kunde macht ein Schnäpchen, und der Sender zahlt drauf. Eine optimale Balance zwischen Angebot und Nachfrage über alle Auktionen hinweg zu erreichen, ist daher die Herausforderung für die Programmplaner und Producer bei 1-2-3.tv. Sie müssen die präsentierten Produkte, Produktgruppen und die jeweilige Stückzahl des angebotenen Produktes so variieren und der aktuellen Nachfrage anpassen, dass der Anreiz für die Kunden, frühzeitig in die Auktion einzusteigen und einen möglichst hohen Preis zu bieten, möglichst hoch ist. Damit bei solchen flexiblen Preisen der Anbieter noch genügend Marge erzielt, leistet der Producer am Kontrollbrett Schwerstarbeit. Einzig der Einkaufspreis ist eine fixe Größe - und die Zielmarge. Doch die ist nicht leicht zu erreichen. Der Producer muss entscheiden, welchen Startpreis er festlegt. Und welcher Preis als erstes angezeigt wird. Er bestimmt die nachfolgenden Preissprünge. Er kann definieren, wie lange ein Preis stehen bleibt, bis er auf das nächst-niedrigere Niveau fällt.
Kein Tag gleicht dem anderen
Nur: Beim gleichen Produkt kann die Entwicklung während der Auktion am Montag anders ausfallen als am Dienstag. Vormittags anders als am Nachmittag. Bei einem Moderator anders als beim anderen. Es ist ein fast philosophisches Prinzip: Man kann niemals in den gleichen Fluß steigen - und man kann keine Auktion zweimal in gleicher Form durchführen.
Was hingegen bleibt, sind die Targets: Jede Sendung muss einen bestimmten Deckungsbeitrag erzielen. Also kann der Producer hier maximieren: Wenn ein Produkt sich gut verkauft, kann er die Auktion länger hinziehen. Er braucht lediglich die Zeitspannen zwischen den Preisspüngen verlängern. Die Sache hat nur einen Haken: Keine Stunde ist länger als 60 Minuten. Produkte, die im Zeitplan weiter hinten platziert waren, fallen dadurch aus der Produktion.
Solange die ersten Auktionen genügend Deckungsbeitrag und Umsatz abwerfen, ist das kein Problem. Aber das "Management Information System" muss wesentliche Zusatzinformationen abbilden. Derzeit zeigt das MIS alle zehn Minuten die wesentlichen Rahmendaten: Wie steht die Show zum Planumsatz, zur Marge, zum Tagesziel?
1-2-3.tv hat ein gewöhnliches Datawarehouse von der Firma syskoplan auf die eigenen Bedürfnisse hin weiterentwickeln lassen. Das MIS basiert auf Microsoft SQL Server 2000 und Microsoft Data Transformation Services für den Bereich ETL. Als Reporting Plattform wird Crystal Enterprise 10 verwendet. Die Anwendung von Microsoft Analysis Services für die Ablage multidimensionaler Cubes ist in einem der weiteren Ausbaustufen vorgesehen. "Der Produkt-Mix von Crystal Enterprise und Microsoft SQL Server bietet neben einem guten Preis-Leistungsverhältnis alle zukünftigen Ausbaumöglichkeiten für weitergehende Analysefunktionen eines wachsenden Data-Warehouse," meint CIO Rainer Düspohl.
Und das ist auch nötig, denn Aktualisierungen im Zehnminuten-Takt sind nicht genug. Künftig sollen die Producer die Daten im Minutentakt erhalten. Und zusätzlich weitere Daten, wie etwa den Deckungsbeitrag inklusive weiterer Transaktionskosten. Denn auch die Wertschöpfungsstufe "Logistik" darf das MIS nicht ignorieren. Mit dem Dienstleister DHL werden die zu erwartenden Volumina im voraus besprochen. Fällt ein Produkt aus der Sendung, stimmen diese Prognosen nur noch annäherungsweise.
Doch das MIS leistet noch wesentlich mehr - im Hintergrund, ohne dass Moderator oder Producer eingreifen müssen. Aufgrund von Analysen des Kundenverhaltens im MIS werden im operativen Kundenstamm das Kreditlimit, der Zahlungsmodus (Rechnung, Nachnahme, ...), Sperrvorschläge (z.B. bei Hochretournierern) etc. aktualisiert. Auch Spaßbieter filtert das System heraus. Diese waren anfangs ein echtes Problem: Sie boten auf jede Auktion, trieben die Preise nach oben oder unten - und nahmen die Ware dann nicht an. Durch die automatische Filterung solcher "typischer" Verhaltensweisen konnte das Problem fast vollständig beseitigt werden.
Risikosteuerung während und nach der Auktion
Allerdings lag auch hier der Clou im Detail. Denn statt solche Gebote gar nicht erst zuzulassen, sendet das MIS ein Sperrsignal an die Lagerwirtschaft. Dort kann die Sendung so lange zurückgehalten werden, bis die Ernsthaftigkeit in Zweifelsfällen geklärt wurde. So läuft 1-2-3.tv nicht Gefahr, durch straffe Kontrollen Umsatz zu verlieren.
Für die kommenden Jahre hat Norbert Matthäus einige Weiterentwicklungen besprochen. Ab 2008 soll das MIS beispielsweise auch Mengenvorschläge geben, um dem Moderator die Entscheidung zu erleichtern, wie viele Produkte er in die Auktion nimmt. Ohne diese besondere IT-Leistung, ist Matthäus klar, wäre 1-2-3.tv nicht möglich. "Die exakte Erfassung und Umsetzung der Anforderungen an das Informationssystem ermöglichte uns ab dem ersten Sendetag, die Response unserer Kunden genauestens zu analysieren und den Erfolg einer jeden Sendeminute zu kontrollieren. Das von syskoplan entwickelte Management Informationssystem ist für uns das zentrale System zur Beantwortung strategischer Fragestellungen sowie zur Optimierung der täglichen operativen Planung."