Nachrichten aus dem Versandhandel

Quelle.Contact: Online-FiBu für 11 Mio. Kunden

von Redaktion Versandhausberater

23.05.2008 - Bei der Kundenbetreuung überlässt Quelle nichts dem Zufall, sondern den Profis von Quelle.Contact. Der Dienstleister betreibt 10 Call Center, in denen sich rund 4.000 Call Center-Agenten um alle Anliegen der Kunden von Quelle verschiedenster Branchen kümmern.
Das Kundenbuchhaltungssystem der Quelle AG beinhaltet ein hohes Maß an versandhandelsspezifischem Knowhow, das durch zahlreiche Funktionen und Bearbeitungsroutinen die Call Center-Agenten unterstützt, alle bei dem Vollsortimentler aufgegebenen Bestellungen IT-seitig zu erfassen. Bei der Entscheidung für die Modernisierung der im Kern über 30 Jahre alten Anwendungen wog die Anforderung nach Wahrung des fachlichen Funktionsumfangs bei gleichzeitiger Sicherung der hohen Zuverlässigkeit und Integrationstiefe in der IT-Systemlandschaft von Quelle schwer. Mindestens genauso schwer wog allerdings auch die Notwendigkeit, die Kundenbuchhaltungslösung grundlegend neu aufzusetzen, um etwa zeitgemäße Online-Buchungen durchführen zu können.
Systemauswahl mit Wagnissen
Die Konzeptionierung einer neuen Lösung war eine Herausforderung an sich. In einem gemeinsamen Projektteam haben Mitarbeiter von Quelle.Contact und des IT-Dienstleisters des KarstadtQuelle-Konzerns, EDS ITELLIUM, die existierende Anwendung dezidiert analysiert und ein zeitgemäßes Pflichtenheft erstellt. Bei der ersten Analyse der infrage kommenden IT-Anwendungen stellte sich schnell heraus, dass eine Lösung von der Stange nicht alle Anforderungen decken kann. Vielmehr wurde sogar erwogen, auf die Vorteile einer Standard-Software zu verzichten und eine modernere, allerdings proprietäre versandhandelsspezifische Buchhaltungslösung zu nutzen.
Dies wurde jedoch nicht zuletzt aufgrund der Konzernstrategie, so weit wie möglich aktuelle Standards einzusetzen, zur zweitbesten Alternative erklärt. Vorrangiges Ziel war es, Standard-Softwarelösungen zu finden, die auf der einen Seite die notwendige Performance bietet, die rund 11 Millionen Kundendaten zuverlässig zu verwalten und die rund 100.000 Bestellungen sowie rund 40.000 Service-Gespräche am Tag zu bewältigen. Auf der anderen Seite musste sich das System nahtlos in die vorhandene IT-Landschaft integrieren lassen.
Aufgrund der Datenmengen kamen nur Softwarelösungen in die engere Auswahl, die nachweislich im Konzernumfeld zur Verarbeitung großer Datenvolumina erfolgreich eingesetzt werden. Es stellte sich schnell heraus, dass insbesondere SAP mit der FI-CA-Lösung eine erfolgsversprechende Basis für die Reali-sierung einer durchgängigen, bedarfsgerechten Buchhaltungslösung für Quelle darstellt.  In einer Machbarkeitsstudie wurde ermittelt, inwiefern die Standardsoftware geeignet ist, das vorhandene Altsystem auch hinsichtlich der Funktionalität in vollem Umfang zu ersetzen. Die Entscheidung für SAP bedeutete, eine der größten SAP FI-CA Installationen in Europa zu kreieren. Doch wurde auch klar, dass das SAP-System grundsätzlich in der Lage ist, derartige Verarbeitungsvolumina zu bewältigen. "Das Ergebnis der Studie zeigte uns, dass es prinzipiell möglich erschien, die Quelle-Kundenbuchhaltung auf Basis von SAP zu realisieren," erläuterte Gesamtprojektleiter Michael Luh. "Allerdings waren maßgebliche Anpassungen in dem Standard-System notwendig. So musste SAP FI-CA insbesondere im Bereich der bankfachlichen Funktionalitäten ausgebaut werden." Der Handlungsbedarf erforderte eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachabteilungen und den IT-Profis. Daher wurde bei der Wahl des Partners nicht nur dessen SAP-Know-how beurteilt, sondern auch versandhandelsspezifisches Wissen. "Bei der Wahl des passenden Realisierungspartners fiel das durchgängige Lösungs- und Integrationskonzept von EDS ITELLIUM in besonderem Maße auf", berichtete der Leiter Prozessmanagement von Quelle.Contact, Oliver Dippel, der als zweiter Gesamtprojektleiter neben Luh agierte. "Uns überzeugte auch das profunde Wissen über die vorhandene Leistungsfähigkeit der SAP-Standard-Komponenten, die wir so weit wie möglich für die Realisierung einer neuen Kundenbuchhaltung nutzen wollten."
Mut zum eigenen Datawarehouse
Allerdings gehörte auch einiger Mut zur Entscheidung, dem Lösungskonzept von EDS ITELLIUM in vollem Umfang zu folgen. Denn dieses sah vor, ein eigenes Datawarehouse aufzubauen, neue, auf die Bedürfnisse der rund 4.000 Call Center-Agenten zugeschnittene Frontends zu entwickeln, versandhandelsspezifische Funktionen zu realisieren, existierende Hostanwendungen anzupassen und zahlreiche neue Schnittstellen zu programmieren.
Als technische Finesse sollte die Flexibilität der Service-Orientierten Architektur (SOA) genutzt werden, um eine wirklich zukunftsweisende Anwendung nahe des Standards zu erhalten. Dies sollte auf Basis von IBM Websphere realisiert werden. "Zum Zeitpunkt der Entscheidung, ein Projekt dieser Größenordnung auf Basis von SAP FI-CA und IBM Websphere umzusetzen, blieb ein gewisses Restrisiko", erinnert sich der Projektleiter von EDS ITELLIUM, Dr. Rainer Schittenhelm. "Andererseits gab es keine sinnvolle Alternative, um die Komplexität zu beherrschen und einen gesicherten Projekterfolg herbeizuführen."
Ausbau zur Versandhandelslösung
Um die SAP-Buchhaltungssoftware zu einer funktional ausgereiften Versandhandelslösung auszugestalten, wurde auf Basis des Lösungs- und Integrationskonzeptes die Software unter enger Einbeziehung der Fachabteilungen und der späteren Nutzer im Call Center sukzessive weiterentwickelt. Ein Großteil der Erweiterungen bezog sich dabei auf die Ergänzung der vorhandenen Funktionalitäten im bankfachlichen Bereich. "Letzt­endlich haben wir das FI-CA fachlich erweitert und zu einer kleinen Retail-Banking-Lösung ausgebaut", erläutert Luh die inhaltlichen Anpassungen. "Insbesondere das variantenreiche Kreditgeschäft wurde bedarfsgerecht und umfassend im SAP-System abgebildet", so Luh weiter.
Dabei verweist der Gesamtprojektleiter nicht ohne Stolz auf die Möglichkeit, individuelle Ratenvereinbarungen abzubilden, Kreditprüfungen und Schufa-Abfragen aus dem System heraus innerhalb kürzester Zeit durchzuführen und auch versandhandelsspezifische Besonderheiten im Kreditgeschäft wie die nachträgliche Abänderung von Tilgungsvereinbarungen und Stundungen im System abzubilden. "Bei allen Erweiterungen waren wir bestrebt, den Standard so wenig wie möglich zu verändern", erläutert Dr. Schittenhelm die Besonderheit der gesamten Anwendung. "Dabei ist es uns gelungen, die Vorteile einer Standardsoftware weitgehend zu wahren. Selbst bei größeren Updates sind nur wenige Anpassungen notwendig, um die versandhandelsspezifischen Adaptionen in vollem Umfang weiternutzen zu können."
Neben dem weitgehenden Ausbau fachlicher Funktionalitäten wurde das Kundenbuchhaltungssystem auch auf die spezifischen Nutzeranforderungen abgestimmt. Dazu zählte es, die Anwendung an die sehr hohe Bearbeitungsgeschwindigkeit der Call Center-Agenten anzupassen. "Die Call Center-Agenten kennen ihre Buchhaltungslösungen nahezu blind, sodass die Einführung einer neuen Lösung unweigerlich zu vorübergehenden Performance-Einbußen führt", erläutert Dippel. "Die Analyse der vorhandenen Anwendungsmasken zeigte, dass diese wirklich optimal auf Aufgaben der Call Center-Agenten abgestimmt waren.
Daher lag der Entschluss nahe, diese Mas­ken auch für die SAP-Anwendung zu nutzen", so Dippel weiter. In enger Abstimmung mit den Anwendern wurde eine neue Benutzeroberfläche entwickelt, die im Aufbau der alten Oberfläche nachempfunden war. Diese reduzierte die Komplexität des SAP-Systems nachhaltig und bietet den Call Center-Agenten die gewohnte Arbeitsumgebung. Der Clou: Durch eine geschickte Zusammenfassung von bis zu 10 Anwendungsschritten im SAP können die Nutzer mit einem Mausklick Aufgaben erledigen, die sie sonst in verschiedenen SAP-Anwendungsmasken hätten durchführen müssen. Für die Agenten hat sich kaum etwas geändert. Sie wurden nach der Einführung der Software innerhalb von nur 2 Tagen an einem eigens entwickelten Schulungssystem umfassend geschult und konnten danach sofort mit dem neuen System arbeiten.
Professionelle Entwicklung und Einführung
Die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Software wurde während des gesamten Entwicklungsprozesses durch ein ausgeklügeltes Testkonzept sichergestellt. So wurden entwicklungsbegleitend Funktionstests, Integrationstests, Performance- sowie Stresstests durchgeführt. Durch ein ausgewogenes Qualitätsmanagement konnten Fehler frühzeitig erkannt und ohne bedeutende Auswirkungen auf den Gesamterfolg des mit einer Gesamtkapazität von mehr als 30.000 Mann-Tagen überaus großen Entwicklungs- und Einführungsprojektes behoben werden.  Neben der Entwicklung einer modernen und funktional umfassenden Anwendungslösung bestand eine weitere Herausforderung in der zügigen und vollständigen Migration des Datenbestandes. Denn bei der Umstellung auf das neue System musste der gesamte Bestand der 18 Monate lang vorgehaltenen Kundendaten im neuen System verfügbar sein. Da die Umstellung bei allem nicht kalkulierbaren Risiko nur als Big Bang-Umstellung Sinn machte, war eine hunderprozentige Vorbereitung Pflicht. Bei der Umstellung wurde das neue Datawarehouse-System mit mehr als 500 GByte Daten betankt, die dann am ersten Arbeitstag der Call Center-Mitarbeiter zur Verfügung standen.
Dass das Projekt-Team wirklich ganze Arbeit geleistet hat, zeigten die Performance-Indikatoren, die umgehend gemessen wurden. Die Verfügbarkeit lag direkt bei 97 Prozent und damit nur marginal unter den 99,6 Prozent, die früher und heute üblich sind.