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Corona: Insolvenzrisiko steigt, vor allem im Handel

10.05.2021 - Die Zahl der Insolvenzen bleibt vermutlich auch 2021 in Deutschland niedrig - künstlich niedrig. Aber sie steigt. Und Ende April läuft ein wichtiges Sicherungsnetz aus. Wo die größten Risiken drohen.

von Joachim Graf

Vor allem im Einzelhandel ist die Zahl der Insolvenzen aktuell besonders hoch. Das geht aus dem Insolvenz-Update von Euler Hermes für März 2021 hervor. Der weltweiter Marktführer im Kreditversicherungsgeschäft prognostiziert: Insolvenzen bleiben trotz eines leichten Anstiegs um rund 6 Prozent auch 2021 voraussichtlich auf künstlich niedrigem Niveau. Der Grund dafür sind die umfangreichen Maßnahmenpakete, um die Folgen der Covid-19-Pandemie für die Unternehmen teilweise abzufedern. Mit der Verlängerung und Ausweitung dieser Maßnahmen Ende 2020 erwartet Euler Hermes auch für 2021 keinen sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten. Ausgehend von den aktuellen Rahmenbedingungen prognostiziert Euler Hermes in seiner aktuellen Analyse den Zuwachs der Insolvenzen erst ab dem zweiten Halbjahr. Erst im Laufe von 2022 dürften die Pleiten um rund 15 Prozent zunehmen. Die Fallzahlen 2022 dürften dann jedoch nur etwa 4 Prozent höher liegen als 2019, vor der Pandemie. Das entspricht in etwa dem Niveau von 2017. Damit steht Deutschland im internationalen Vergleich gut da.

Die Insolvenzentwicklung sei derzeit nicht von Marktmechanismen, sondern von der weiteren Entwicklung und dem Fortbestand von Unterstützungsmaßnahmen abhängig. Trotz des erneuten und verlängerten Lockdowns, der viele Branchen empfindlich trifft, sind mit zunehmendem Impffortschritt die gesamtwirtschaftlichen Aussichten für 2021 relativ gut, und am Horizont winkt ab voraussichtlich dem zweiten Halbjahr ein Nachhol-Boom sowie eine deutliche wirtschaftliche Erholung.

Geschäftspartner genau prüfen
Die Entwicklung ist allerdings sehr uneinheitlich. Unternehmen sollten deshalb weiterhin wachsam leiben und ganz genau auf ihre Abnehmer schauen und ein sorgfältiges Risikomanagement betreiben. Trotz insgesamt rückläufiger Fallzahlen sind in Deutschland die erwarteten Forderungsverluste, also die Schäden, die den Unternehmen voraussichtlich durch die Insolvenzen entstehen, deutlich gestiegen: von 26,3 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf über 42 Milliarden Euro im Jahr 2020. Zudem haben sich 2020
große Insolvenzen in Deutschland gegen den allgemeinen Trend fast verdoppelt, mit entsprechenden Schneeballeffekten auf die Lieferketten.

58 große Unternehmen (mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro) rutschten 2020 in die Pleite gegenüber 32 im Vorjahr. Ein Plus von 81 Prozent - trotz der bis zum Herbst 2020 komplett ausgesetzten Insolvenzantragspflicht. Die großen Insolvenzen häufen sich in vielen Branchen, in denen die Gesamtzahl der Fälle deutlich rückläufig war, wie beispielsweise im Einzelhandel. Das zeigt vor allem, dass große Unternehmen eine Insolvenz häufiger als Sanierungsinstrument nutzen, während kleine und mittelständische Unternehmen 2020 durch die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht geschützt wurden.

Seit 1. Oktober 2020 gilt die Insolvenzantragspflicht wieder für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Lediglich für den Insolvenzgrund der Überschuldung - unter den nur ein geringer
Prozentsatz der Insolvenzen fällt - blieb die Antragspflicht weiterhin ausgesetzt. Die kürzlich beschlossene Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende April 2021 betrifft ebenfalls nur einen relativ kleinen Kreis an Unternehmen:
Nur diejenigen Firmen mit Insolvenzreife, die bereits staatliche Hilfsgelder beantragt haben, die jedoch noch nicht ausgezahlt wurden, fallen drunter. Der Antrag allein reicht allerdings nicht aus, sondern es müssen noch eine Reihe weiterer Kriterien erfüllt werden:
Das Unternehmen darf erst durch die Covid-19-Pandemie in Schwierigkeiten geraten sein, der Antrag auf Hilfsgelder muss Aussicht auf Erfolg haben, und vor allem müssen die beantragten Hilfsgelder ausreichen, um die Insolvenzreife zu beseitigen.

"Viele Unternehmen sind sich nicht bewusst, dass die Insolvenzantragspflicht nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen weiterhin ausgesetzt bleibt", schreibt der Versicherer in seiner Analyse.

"Das ist ein großes Risiko. Wir gehen davon aus, dass einige, insbesondere kleine Unternehmen, eigentlich bereits Insolvenz anmelden müssten. Der erneute und verlängerte Lockdown hat oft zu größeren finanziellen Belastungen geführt, als die beantragten Hilfsgelder abfedern können. Diese Firmen bewegen sich damit zum Teil auf sehr dünnem Eis und könnten so unwissentlich in Haftungsprobleme schlittern. Daher sollten Unternehmen genau prüfen, ob sie die entsprechenden Voraussetzungen für die Aussetzung erfüllen. Für die Lieferanten ist dies ebenfalls problematisch und die Unsicherheit dadurch umso größer. Sie sind teilweise im Blindflug unterwegs, weil sie gar nicht wissen, ob Abnehmer tatsächlich noch zahlungsfähig sind."