Nachrichten aus dem Versandhandel

Bitte jetzt nicht auch noch Otto!

von Stephan Meixner

26.04.2012 - Ein kritischer Gastkommentar von unserem langjährigen Beirat und Direktmarketing-Experten Uwe Drescher."Wissen Sie eigentlich noch was Sie tun?": So lautet die ketzerische Frage von Otto-Betriebsrat Uwe Rost an den amtierenden Vorstand. Und er wird noch deutliche gegenüber einem an sich vom Erfolg verwöhnten Management: "Es ist Ihr Kurs den hier niemand nachvollziehen kann, es ist Ihr Handeln, das uns das Gefühl gibt, wir hätten es eher mit einer Reparaturwerkstatt zu tun als mit einem komplexen Großkonzern."
Mit anderen Worten, die Führung ist konzeptionslos. Nachrichten die erschrecken. Nach Quelle nun auch Otto? Als die Quelle Manager ihre Ziele aus den Augen verloren, verdoppelten sie ihre Anstrengungen. Erfolglos wie wir heute wissen. Kann auch Otto diesen roemischen Weg mit der Lust am Untergang gehen? Vor Jahren schrieb ich einmal im Versandhausberater einen Aufsatz über die Unterschiede des Models Quelle und des Models Otto. Mein Fazit damals: "Das Model Otto war dem Model Quelle immer überlegen."
Otto war besser aufgestellt. Otto hatte das bessere Kunden- und Zielgruppen-Management. Otto hatte das bessere Service-Paket. Bei Otto stand der Kunde im Mittelpunkt aller Überlegungen und störte dort am Wenigsten. Otto hatte eine Dynamik, die auf Geschwindigkeit, Substanz und Wertigkeit ausgerichtet war. Otto produzierte Nachhaltigkeit. Und was lese ich jetzt! Hermes entwickelte sich zur Perle und mit den Finanzdienstleistungen wird Geld verdient.
Wo bleibt die Strategie im Kerngeschäft?Statt klarer Aussagen mehr ein Bild des Jammerns. ZALANDO "Schrei vor Glück" besser ZALANDO "Schick es zurück", soll schuld sein. Oder die sich erst im letzten Jahr online orientierenden Handelsunternehmen Saturn und Media Markt sind verantwortlich. Soll sich Otto positionieren als die Kompetenz für Junge Mode? Oder Elektronik und Haushaltsartikel? Liegt die Lösung des Problems in neuen Führungsstrukturen? Oder muss ein Sparprogramm Model Fox konzipiert werden?
Ich glaube an allem ist etwas dran aber das wesentliche ist wohl eher, das sich Besinnen auf alte Tugenden und Stärken. In erster Linie heißt das: "Kümmer Dich um Deinen Kunden!"
Wenn ich mir den Auftritt der Otto-Gruppe insgesamt anschaue, dann stelle ich mit großem Entsetzen fest, DEN Auftritt gibt's es offensichtlich nicht mehr. PRINT - von dem Vorstandvorsitzenden Hans-OTTO Schrader schon vor 2 Jahren für Tod erklärt - fristet ein mehr kümmerliches Dasein mit Ausnahme einiger wenige Spezial Kataloge im Special Interest Sektor.
Der gesamte online Auftritt ist irgendetwas für mögliche Kunden, die extrem geduldig sind, einen sehr hohen IQ besitzen und die Fähigkeit auszeichnet, Gordische Knoten zu durchtrennen. Von einer Vernetzung beider Vertriebskanäle keine Spur. Das Internet ist reduziert eine aktuelle Bedarfssituation zu befriedigen. Von einer Bedarfsweckung ist man Lichtjahre entfernt. Damit reduziert sich Ottos Internet Aktivität auf den Warenkorb, sprich Bestellweg - Konkurrent zu Telefon oder Bestellkarte. Die Otto Analyse ist somit folgerichtig. Kleine, wendige OnlineHändler machen Druck, setzen unter Druck.
Betriebsratschef Uwe Rost und Vorstandschef Hans-OTTO Schrader wissen, dass sie dem nicht viel entgegen zu setzen haben. Print know-how sprich Katalog-Marketing runtergefahren auf Renner Stretching identisch über alle Konzern Marken ist mehr eine Kostenreduktion denn eine Nachfrage Optimierung. Ein isolierter aber gigantischer Internet Auftritt ist das Gegenteil von kundenorientierter Flexibilität und Orientierung. Und eine Einkaufsorganisation, die mehr den Status der eigenen Kompetenz als die Bedürfnis-Weckung und -Befriedigung der Kunden im Fokus hat, wird dann last but least von der Wendigkeit kleiner online-Händler überrollt.
Es kann sein das die römische Lust am Untergang durchaus Realität werden kann. Dagegen steht aber das Model Otto. Otto hat mehrere Krisen überstanden. Es ging nicht immer nur bergauf.
Immer wurden Krisen dadurch gemeistert, dass zukunftsfähige Strategien entwickelt wurden, die Erfolg garantierten. Sicherlich auch jetzt. Allerding mit einem Schritt zurück. Der Kunde ist die Lösung. Nur der Kunde ist in der Lage Krisen zu meistern und positive Ergebnisse zu erzielen. Ich habe früher immer gesagt: "Ich bin für die Nachfrage zuständig. Synergien und Kosten ist was für andere." Aber Nachfrage ist nur zu erzielen, wenn man sich am Kunden orientiert. Ihn - den Kunden ernst nimmt. Dann wird das Vertrauen der Kunden zur Marke Otto zurückkehren. Dann bleibt es bei der Jahrhundert- Positionierung:
Otto ...find ich gut!
Und das kann dann auch Hans-Otto Schrader sein.
Uwe H. Drescher
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