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 (Bild: cegoh auf Pixabay)
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Internationale Lieferketten stehen weiterhin unter Druck

17.02.2022 - Auch wenn der Versandhandel derzeit aufatmet - eine Entspannung der internationalen Seefracht ist weiterhin nicht in Sicht. Mehr als 600 Schiffe warten aktuell in den großen Häfen der Welt und verursachen massive Lieferverzögerungen.

von Susanne Fricke

Zwar meldet das ifo-Institut aktuell, dass sich die Lieferprobleme im deutschen Einzelhandel entspannen würden, die Lage in den internationalen Häfen spricht aber eine deutlich andere Sprache. Mehr als 600 Schiffe stauen sich dort und verursachen weiterhin Lieferverzögerungen.

Genaue Informationen zur aktuellen Lage stellt das Schweizer Logistikunternehmen Kühne + Nagel (K+N) in einem neuen 'Global Disruption Indicator' zur Verfügung, der täglich ktualisiert wird. Der Indikator fasst die Wartezeiten von Schiffen in neun großen Häfen zusammen, die für den Welthandel am wichtigsten sind (Prince Rupert - Kanada, Vancouver/Seattle - USA, Oakland - USA, Los Angeles/Long Beach - USA, New York - USA, Savannah - USA, Hongkong - China, Shanghai/Ningbo - China sowie Rotterdam/Antwerpen - Niederlande). Staus in diesen Hafengebieten haben einen Dominoeffekt auf den globalen Schiffsverkehr.

Die tatsächlichen Lieferverzögerungen berechnet K+N, indem die Anzahl der Container, die ein Schiff fassen kann, mit der Anzahl der Tage, die das Schiff wartet, multipliziert. Ein Schiff, das 10.000 Container geladen hat und 12 Tage wartet, hat eine Lieferverzögerung von 120.000 'Containertagen'. Die Summe aller Containertage ergibt den Indikator.

Am 02. Februar lag der Indikator bei 12,37 Millionen Container-Tagen. Gegenüber den Werten von Anfang Dezember entspricht das einer Verdopplung der Wartezeit. Eine solche Ausnahmesituation - mit Werten von über einer Million - habe es bis zum Beginn der Corona-Pandemie nie gegeben. Ca. 80 Prozent der Störungen der internationalen Lieferketten gehen aktuell von nordamerikanischen Häfen aus.

Auch das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel) analysiert zweimal monatlich die Lage im internationalen Seeverkehr. Der 'Kiel Trade Indicator' berücksichtigt an- und ablegende Schiffe in 500 Häfen und 100 Seeregionen. Laut der letzten Werte vom 20. Januar waren ca. 12 Prozent der weltweit verschifften Güter von den Containerstaus betroffen, etwas mehr als im Dezember.

Die ExpertInnen vom IfW rechnen damit, dass die angespannte Situation im Frachtverkehr noch anhalten wird, insbesondere, wenn China mit einer Zero-Covid-Politik auf die Ausbreitung der Omikron-Variante reagiert und erneut Häfen schließt. Auch im Roten Meer, der wichtigsten Seeroute zwischen Europa und Asien werden derzeit rund 15 Prozent weniger Waren transportiert, als unter normalen Umständen. Solche Werte wurden zuletzt Mitte 2020, zur ersten Hochphase der Pandemie, erreicht.

Für E-Retailer aus DACH empfiehlt sich aufgrund der aktuellen Prognosen, weiterhin wachsam zu bleiben und die eigenen Lieferketten zu überprüfen. Beispielsweise kann es sich anbieten, seine Produkte künftig bei europäischen Lieferanten zu beziehen , um unabhängig von der Seefracht zu sein. Allerdings scheint die angespannte Situation der globalen Lieferketten bisher keine extremen Auswirkungen auf den deutschen Versandhandel zu haben. So stellte der BEVH in seiner Analyse der Jahreszahlen von 2021 fest, dass während des Weihnachtsgeschäfts - anders als befürchtet - Auswirkungen der Lieferkettenstörungen weitgehend ausblieben.

17.02.2022