Logistik: Wieso Versandhändler eine Immobilien-Strategie brauchen

07.03.2019 Im Kampf um den Kunden wird Logistik immer wichtiger. Entscheidend ist dabei die Lager-Infrastruktur der Shops: Zentral? Denzentral? Groß oder klein? Gemietet? In Besitz? So perfektionieren Händler in sechs Schritten ihre Logistik.

 (Bild: Hermes)
Bild: Hermes
Nicht von jedem Standort in Deutschland aus, lässt sich der Versand von Waren gleich optimal durchführen. Faktoren wie Flächenverfügbarkeit und Grundstückspreise, die Nähe zu Kurier-Express-Paket-Dienstleistern für eine schnelle Auslieferung und späte Cut-off-Zeiten sowie der Arbeitskräftemarkt vor Ort sind entscheidend, wenn es um die Wahl des richtigen Standortes für Lager- und Logistikflächen im Onlinehandel geht.

1. Welcher ist der passende Logistikstandort?

Bislang fehlte jedoch eine zentrale Plattform, auf der - zugeschnitten auf den Informationsbedarf der einzelnen Wirtschaftsbereiche und Branchen - deutschlandweit vergleichbare und ansiedlungsrelevante Informationen angeboten werden. Das gab 2015 den Anstoß, mit Gewerbegebiete.de   die erste überregionale Ansiedlungsplattform Deutschlands ins Leben zu rufen. Die Plattform gibt einen Überblick über deutschlandweit verfügbare Flächen mit den entsprechenden Daten zur Infrastruktur oder zu sozioökonomischen Daten und liefert damit eine optimale Entscheidungsgrundlage für alle Nutzer von Logistikimmobilien, so auch für Onlinehändler.

Bundesweite Ansiedlungsplattform Gewerbegebiete.de
Bundesweite Ansiedlungsplattform Gewerbegebiete.de (Grafik: Gewerbegebiete.de)


2. Zentralität versus Dezentralität?

Kunden haben sich längst an den Komfort der heutigen Warenverfügbarkeit gewöhnt und fragen zunehmend eine schnelle und flexible Paketzustellung nach. Für die Umsetzung zuverlässiger und immer kürzer werdender Lieferzeiten, bis hin zur Zustellung innerhalb einer Stunde, setzen Onlinehändler demnach zunehmend auf die Nähe zu Ballungszentren. Allerdings täuscht der aktuelle Eindruck, dass sich die Logistik im Onlinehandel zukünftig nur noch im innerstädtischen Bereich abspielt. Denn unter Berücksichtigung der hohen Mieten bleibt die Zentrallagerstrategie in der Mitte Deutschlands in Verbindung mit leistungsfähigen dezentral aufgestellten Paketdiensten, für die Mehrzahl der Onlinehändler der praktikablere Ansatz. Wie nahe die Logistik an den Kunden rücken muss, bestimmt aber letztlich, unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz und Servicezeit, die jeweilige Unternehmensstrategie.

Dr. Alexander Lehm

"Zur Gestaltung zukunftsfähiger Logistiksysteme für den E-Commerce werden neben den großen Flächen für Zentrallager zunehmend auch kleinere Cross-Dock- und Depots nahe den großen Ballungsräumen benötigt", erklärt Dr. Alexander Nehm , Geschäftsführer der Logivest Concept GmbH   . Die Verteilzentren, die dort realisiert werden, sind mit rund 2.000 bis 10.000 Quadratmetern deutlich kleiner als die großen Distributionszentren. Diese befinden sich nach wie vor eher im Zentrum der jeweiligen Distributionsregion. Bereits seit einiger Zeit sei zu beobachten, dass sich der Gürtel in der Mitte Deutschlands, in dem sich die ECommerce-Logistikansiedlungen traditionell bündeln, immer mehr zum Streuselkuchen entwickelt. Nehm zufolge könne die Regionalisierung der Distributionsstrukturen nach Norden und Süden jedoch nur durch die Big Player unter den Onlinehändlern wie Amazon   oder Zalando   bewerkstelligt werden, die über entsprechende Kapazitäten und Volumen verfügen. "Zudem ist es gar nicht so einfach, dort geeignete Flächen für Warenlager und Umschlag zu bekommen. Insbesondere in Innenstadtlage konkurriert die Logistik mit anderen Immobilienklassen wie Büro oder Wohnen", erklärt Nehm weiter.

3. Make or Buy?

Nahezu jeder Onlinehändler stellt sich bei seinen gesamten Logistikaktivitäten die Frage, ob er die Logistikprozesse in Eigenregie durchführt oder durch einen spezialisierten Logistikoutsourcing-Dienstleister realisieren lässt. "Selber machen" bedeutet: Aufbau der Immobilie und Bereitstellung von Ressourcen für die Immobilie und deren Innenleben. Bei der Logistikimmobilie bedeutet dies zum einen Neubau oder Anmietung eines Bestandsobjektes und zum anderen die Bewirtschaftung der Logistikimmobilie. Dem entgegen steht die Vergabe von Logistikabläufen an einen spezialisierten Dienstleister, durch die sich der Onlinehändler stärker auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann. Zudem lassen sich bei dieser Variante fixe Kosten in variable verwandeln und der Onlinehändler profitiert von den effizienten Abläufen der Dienstleister. Auch hier gilt: Die beste Lösung ist die, die zu den spezifischen Bedürfnissen des Unternehmens passt.

4. Neubau versus Bestandsimmobilie?

Der Onlinehandel stellt besondere Anforderungen an Logistikimmobilien: So werden größere Außenbetonflächen zum Abstellen von Wechselbrücken, größere Park-, Büro- und Sozialflächen für die höhere Anzahl an Beschäftigten und mehr LKW-Stellplätze benötigt. Daneben werden häufig Mezzanine-Flächen nachgefragt, die vor allem für die Abwicklung der Retouren genutzt werden. Ob die Logistik eines Onlinehändlers dann im Neubau oder in einem Bestandsobjekt abgewickelt wird, hängt von unterschiedlichsten Kriterien ab. Wird die Logistikimmobilie beispielsweise kurzfristig mit wenig zeitlichem Spielraum benötigt, dann bietet sich eine Bestandsimmobilie an. Das Gleiche gilt, wenn Mietlaufzeiten von weniger als fünf Jahren gewünscht sind. Bei einer langen Laufzeitbindung und ausreichend verfügbaren Grundstücken am Standort kann sich der Neubau einer Logistikimmobilie für den Onlinehändler aber durchaus finanziell mehr lohnen, als die Anmietung eines Bestandsobjektes.

5. Mieten versus Eigenbestand?

Ob es die bessere Alternative ist, eine Bestandsimmobilie zu mieten oder eine Logistikimmobilie zu erwerben und diese im Eigenbestand zu führen, lässt sich pauschal kaum sagen. Beide Varianten bieten Vor- und Nachteile, die sorgfältig anhand der unternehmensspezifischen Gegebenheiten und Anforderungen gegeneinander abgewogen werden müssen:

Mieten

Vorteile
  • Flexibilität in der Laufzeit und im Standortwechsel
  • keine Kapitalbindung
Nachteile
  • Akzeptanz bestehender Gebäudestrukturen
  • ggf. Mietsteigerungen

Eigentum

Vorteile
  • Flexibilität bei Objekt- und Strukturanpassungen
  • Anpassung an Bedarf
  • eigene Substanz
Nachteile
  • Kapitalbindung
  • Finanzierungs- und Kreditrisiken
  • Ratingrisiko
(Quelle: Logivest)


6. Die Crosschannel-Alternative: 'Ship-from-Store'

Die Alternative zu klassischen Pure-Player-Logistikimmobilien sind Crosschannel-Konzepte. Wie 'Ship-from-Store' zum neuen Joker der Multichannel-Strategien wird   hatte iBusiness bereits 2014 vorgestellt. Eine Analyse von Ebay ergab, dass Händler mit dem Ship-from-Store-Distributionsmodell ihren Online-Umsatz um bis zu 20 Prozent steigern konnten. Das liegt darin, dass Ship-from-Store die Produktauswahl steigert, indem Filialbestände auf allen Kanälen dargestellt werden. Der Online-Umsatz steigt durch geringere Fehlbestände, aber auch durch vergrößerte Sortimentsbreite und -tiefe.

Ship-from-Store hilft darüber hinaus den Abverkauf von typischen Langsamdrehern und Saison-Altwaren aus den Filialen zu beschleunigen, was zu geringeren Abschriften führt. Weitere Vorteile ergeben sich unter Umständen durch eine Reduzierung der Versandkosten bei Nutzung der Bestände von Filialen im Ausland für ausländische Bestellungen und auch durch die Reduzierung von Pick- & Packkosten in zentralen Distributionszentren durch die Ausnutzung von Beständen und Personal in den Filialen vor Ort.
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