Gleicher Traffic, mehr Profit: Cross- und Up-Selling-Techniken

07.05.2020 Cross- und Upselling gehören zu den Lieblingstechniken vieler Versandhändler. Doch bei den vermeintlich lukrativen Zusatzverkäufen lässt sich erstaunlich viel falsch machen. Wir erklären, worauf Sie achten müssen.

 (Bild: Photo by Rowen Smith on Unsplash)
Bild: Photo by Rowen Smith on Unsplash
Beim Cross- und Upselling stoßen zwei ganz unterschiedliche Interessen aufeinander: Während der Verkäufer vor allem von dem profanen Wunsch getrieben ist, Umsatz und Warenkorbwert in die Höhe zu treiben, denkt der Kunde pragmatischer: Er taxiert ausschließlich den zusätzlichen Wert, den der aktuelle Kauf verspricht. Nur wenn es gelingt, dass sich beide Interessen treffen, können Profit und langfristige Kundenbindung gleichermaßen gesteigert werden.

Wer dagegen nicht erklären kann, wann und warum ein Upselling für den Kunden relevant sein soll, riskiert es, wertvolle Kunden zu verlieren. Kunden Produkte zu verkaufen, die er nicht wirklich braucht, ist kein guter Ansatz.

Wir erklären in diesem Artikel die psychologischen Hintergründe, die für einen erfolgreichen Upselling-Prozess erforderlich sind. Vor allem geht es darum, dass die personalisierte Erfahrung und eine kontextbezogene Empfehlung ein integraler Bestandteil für jedes ECommerce-Unternehmen sein sollte.

McDonalds Sales Funnel: Erst erfolgt ein Upselling (mit Pommes), wer das gesamte Menü (mit Cola) wählt, erhält zudem einen Rabatt (Downselling). (Bild: MCDonalds)
Bild: MCDonalds
McDonalds Sales Funnel: Erst erfolgt ein Upselling (mit Pommes), wer das gesamte Menü (mit Cola) wählt, erhält zudem einen Rabatt (Downselling).

Wer sich Unternehmen wie McDonalds oder Amazon anschaut, wird schnell feststellen, dass sie Perfektionist in Cross-Selling, Up-Selling und Down-Selling-Prozessen sind. Amazon offenbarte bereits in 2006, dass 35 Prozent des Umsatzes ein direktes Resultat solcher Maßnahmen sind. Auch McDonalds ist in der Lage, mit der simplen Frage "Möchtest Du Pommes dazu?" täglich 4,5 Millionen Kilogramm Fritten   zu verkaufen.

Upselling ist ein langer Umsatzhebel

Jetzt wo der Wettbewerbsdruck weiterhin steigt und die großen Player einen festen Platz in der ECommerce-Landschaft eingenommen haben, ist die AOV (Average Order Value) neben dem LTV (Lifetime Value) und die CAC (Customer Acquisition Costs) einer der wichtigsten Metriken, um ein profitables E-Commerce-Business zu führen.

Onlinehändler müssen gezielt Kaufanreize setzen, um diese Metriken erhöhen zu können. Doch die angebotenen Cross- oder Up-Selling-Produkte sollten immer eine Relevanz zum ursprünglich bestellten Produkt haben. Anderenfalls werden die Versuche nicht nur fehlschlagen, sondern den Kunden auch verwirren und das Bild des Händler beschädigen. Gelingt das Upselling dagegen, lassen sich schöne Profiteffekte erzielen, wie die nachfolgende Rechnung zeigt.

Szenario 1

In diesem vereinfachten Beispiel gehen wir davon aus, dass ein Onlineshop
  • 100.000 zahlende Kunden akquiriert,
  • deren Bestellwert (AOV) durchschnittlich 50 Euro beträgt.
  • Dazu entstehen Marketingkosten (CAC) in Höhe von 5 Euro pro Kunde.
  • Die Produktmarge liegt bei 40 Prozent.
Aus diesen Annahmen errechnet sich ein Profit in Höhe von 1,5 Millionen Euro.

Szenario 2

Wenn der durchschnittliche Warenkorbwert (AOV) dagegen um 30 Prozent (von 50 auf 65 Euro) erhöht wird, dann steigt der Profit um 40 Prozent auf 2,1 Millionen Euro. Das überproportionale Wachstum erklärt sich vor allem daraus, dass die Marketingkosten (CAC) nur einmal pro Kunde anfallen. Am Ende ergibt sich: Selbst wenn nur jeder 20. Kunde zum Upselling-Artikel für 15 Euro greift, wird die Gesamtprofitabilität um zwei Prozent steigen.

Die Psychologie hinter dem Cross- und Up-Selling

Der ideale Zeitpunkt, um einen Cross- oder Up-Selling anzubieten, ist der Moment, wenn der Kunde die Kaufentscheidung trifft. Er hat das Produkt bereits ausgewählt und ist kurz vor dem Kauf, hat aber den Checkout Prozess noch nicht gestartet.

Diese Entschlossenheit zu kaufen, das sogenannte Commitment der Kunden, umfasst nicht nur den Entschluss (die psychische Bindung an einer Sache), sondern auch die Bereitschaft, diese Bindung aufrechtzuerhalten. Denn in das Commitment fließen der Wille, die Motivation und das Engagement mit ein.

In diesem Moment wird im Gehirn der Kunden Dopamin ausgeschüttet. Sobald die Dopaminrezeptoren im Nucleus Accumbens einmal aktiviert sind, erzeugen sie das Gefühl von Begierde und Verlangen und machen die Dinge unwiderstehlich.

Der beste Weg, Ihre Produkte effektiv zu verkaufen, ist es, Ihre Kunden und die Denkweise hinter den Entscheidungsprozessen kennenzulernen. Dies geschieht, indem Sie Ihre Kundenbeziehungen vertiefen, ein guter Zuhörer sind und sich in die Lage der Kunden versetzen. Sobald Sie ein Gefühl für die Denkweise und das Verhalten der Kunden haben, wissen Sie, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist und welche Strategien Sie anwenden sollten.

Beachten Sie folgende psychologische Prinzipien bei der Auswahl und der Präsentation von Cross- und Up-Selling Angeboten.

  • Paradox Of Choice
    Eine zu große Auswahl kann unzufrieden machen und führt zu Überforderung. Kunden fühlen sich wie gelähmt durch zu viele Optionen und werden so keine Auswahl vornehmen oder eine Fehlentscheidung treffen. In den meisten Fällen führt eine geringere Angebotsvielfalt zu höheren Umsätzen. In Versuchen konnten die Umsätze nur durch Reduktion der Auswahl um das 6-fache gesteigert werden.

  • Rule of 3 nutzen
    Die Zahl Drei ist eine magische Zahl. Sie bildet für unser Gehirn ein Muster. Menschen können sich Muster viel leichter merken als eine zufällige Abfolge von Ereignissen oder Fakten. Die Zahl Drei ist die kleinste Zahl, die zur Erstellung eines Musters erforderlich ist. Wenn ein Muster einmal gebildet ist, kann das Gehirn die Information leichter verdauen und im Gedächtnis verarbeiten. Wer Cross- und Up-Selling Produkte mit dieser 3-er-Regel bündelt, kann überzeugender wirken.

    Drei ist eine magische Zahl - sie bildet ein Muster, macht die Entscheidung aber noch nicht zu komplex (Bild: Amazon / Screenshot: iBusiness)
    Bild: Amazon / Screenshot: iBusiness
    Drei ist eine magische Zahl - sie bildet ein Muster, macht die Entscheidung aber noch nicht zu komplex

  • Bundling um den Kaufschmerz zu reduzieren
    Eine an den Universitäten Carnegie Mellon und Stanford durchgeführte Studie   ergab, dass Preise, die auf unfair hohem Niveau festgesetzt wurden, bei den Studienteilnehmern den Teil des Gehirns aktivierten, der für die Schmerzverarbeitung verantwortlich ist. Reduzierte Preise aktivierten dagegen die mediale präfrontale Kortexregion, die für die Entscheidungsfindung zuständig ist.

    Durch die Bündelung von mehreren Artikeln zu einem Paket kann der Kaufschmerz reduziert werden, da Käufer die einzelnen Artikel nicht mehr nach einem bestimmten Preis beurteilen können.

  • Auf den Presenters Paradox achten
    Das Bundling ist zwar eine etablierte Marketingtechnik, aber auch hier lauert ein Fallstrick: Sie sollten unbedingt vermeiden, billige und teure Artikel zu mischen. Ein Korb aus Produkten mit unterschiedlichen Werten kann den wahrgenommenen Wert tatsächlich verringern. In diesem Fall wird das Presenters Paradox   wirksam.

    Ursächlich für diesen Effekt ist das kategorische Denken, zu dem alle Menschen neigen. Das Gehirn hat keine Neigung dazu, zu differenzieren. Sie suchen ein möglichst klares, einfaches Bild. Gut oder schlecht. Billig oder teuer. Schwarz oder weiß. Bei einem Bundle wird das Gesamturteil von der gesamten Zusammenstellung bestimmt. Ein minderwertiges Produkt kann die Gesamtwahrnehmung so sehr beeinflussen, dass der Gesamtwert des Bundles mit diesem Produkt niedriger eingeschätzt wird, als ohne.

    Werden ein teures und ein weniger teures Produkt gebündelt, kann die Zahlungsbereitschaft sinken. Der Gesamteindruck wird dann durch das günstigere Produkt beschädigt. (Bild: wilhei / Pixabay.com)
    Bild: wilhei / Pixabay.com
    Werden ein teures und ein weniger teures Produkt gebündelt, kann die Zahlungsbereitschaft sinken. Der Gesamteindruck wird dann durch das günstigere Produkt beschädigt.

    Eine im Harvard Business Review veröffentlichte Studie   konnte diesen Effekt eindrucksvoll demonstrieren, dass die Probanden zwar bereit waren, für ein Gepäckstück 225 Dollar und für ein anderes, wenn es separat gekauft wurde, 54 Dollar zu zahlen. Wenn beide gemeinsam als Bundle angeboten wurden, sank die Zahlungsbereitschaft aber auf 165 Dollar - und damit 60 Dollar weniger, als sie zuvor für das teure Stück allein ausgegeben hätten.


Jeder fünfte Cross-Buying-Kunde ist unprofitabel

Aber auch, wenn man diese Regeln beachtet, kann beim Cross-Selling noch viel schief gehen. Denn die meisten Marketer nutzen das Prinzip für alle Kunden. Doch es ist eine gewisse Vorsicht geboten, denn jeder fünfte Cross-Buying-Kunde ist unprofitabel.

Wissenschaftler der Georgia State University haben in einer Studie   herausgefunden, dass bestimmte Kunden trotz eines erfolgreichen Cross- oder Up-Sellings nicht unbedingt mehr Profit generieren. Es erwies sich sogar, dass siebzig Prozent aller Verluste, die sich auf zu hohe Produkt- und Marketingkosten zurückführen ließen, durch das Cross-Selling entstanden waren. Vier Kundengruppen lassen sich ausmachen, die zu besonderen Problemen führen können:

  • Servicenachfrager
    Diese Kunden kaufen nicht nur mehr Produkte. Sie verlangen gleichzeitig auch ein Vielfaches an Service über jedes verfügbare Medium.

  • Retournierer
    Je mehr diese Kunden kaufen, desto mehr Waren bringen sie zurück. Oder im Fall von Dienstleistungen zahlen sie einfach nicht.

  • Rabattmaximierer
    Reguläre Preise interessieren sie nicht. Rabattjäger sind nur auf hohe Abschläge aus, die üblicherweise in teuren Werbekampagnen angepriesen werden.

  • Ausgabenbegrenzer
    Diese Gruppe ist zwar offen für andere Produkte. Doch sie ist nicht bereit, dafür ein höheres Gesamtbudget zu veranschlagen, sondern schichtet einfach um. Diese Gruppe maximiert ihren Rabatt, aber nicht den Umsatz des Unternehmens:

Erfolgreiches Cross-Selling erfordert daher eine genaue Analyse der Kundenbeziehungen und geht immer aus einer entsprechenden Strategie hervor. Verluste sind oft eine Folge mangelhafter Anreize im Marketing. Nur wer das Verhalten und die Eigenschaften der Kunden kennt, kann das richtige Angebot zum richtigen Zeitpunkt machen. Definieren Sie daher regelmäßig Ihre strategischen Cross-Selling Ziele. Stellen Sie dabei nicht unbedingt den Umsatz, sondern Wachstum und Profitabilität in den Fokus und beenden Sie Kundenbeziehungen, die nicht profitabel sind.


Autorin Diana Versteege berät seit mehr als 15 Jahren Onlinehändler zu strategischen und konzeptionellen Fragen. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Positionierung, Kommunikation und der Conversion-Optimierung mittels psychologischer Strategien und Modelle. Mit der Gründung ihrer eigenen Marke SHEcommerce im Jahr 2012 steht die Zielgruppe Frau im Fokus.