Prognose 2025: So entwickelt sich der E-Commerce mit Mode

01.12.2022 Der Onlinehandel mit Modeartikeln verzeichnete während der Pandemie starke Umsatzgewinne. Insgesamt kämpft der Modemarkt allerdings schon seit Jahren mit strukturellen Problemen.

 (Bild: www.gutemarken.com)
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Nachdem das erste Pandemiejahr die Bekleidungsbranche mit voller Wucht getroffen hatte und für tiefrote Zahlen sorgte, konnte sich die Branche 2021 erholen. Das Marktvolumen von Textilien und Bekleidung im Einzelhandel lag laut Daten des Handelsverband Textil (BTE)   2021 bei 64 Milliarden Euro. Ein Plus von 4,9 Prozent gegenüber 2020. Bedeutend prächtiger hat sich der Onlinehandel im Bereich Fashion entwickelt: Er wuchs munter weiter und konnte erneut zweistellig wachsen. Den Zahlen des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V   zufolge ist die Kategorie 'Bekleidung inklusive Schuhe' in 2021 um 16,7 Prozent gewachsen, was einem Online-Umsatz von knapp 24,7 Milliarden Euro entspricht. Der ECommerce-Anteil am Modehandel steigt damit auf 38,6 Prozent. Damit ist und bleibt der Onlinehandel mit Bekleidung und Textilien das umsatzstärkste Segment im deutschen E-Commerce. Die Online-Umsätze aus dem Bereich Bekleidung/Textilien machen stets den Mammutanteil im gesamten deutschen Onlinehandel aus.

(Grafik: HighText Verlag)

Der E-Commerce mit Fashion hat stark von den Corona-Lockdowns profitiert. Das Wachstum in diesem Segment wird sich allerdings wieder verlangsamen. Schaut man sich die Zahlen vor Corona an, zeigt sich, dass die Umsätze im E-Commerce zwar Jahr für Jahr stiegen, aber deutlich langsamer. Dennoch macht der Anteil des Onlinehandels mittlerweile über ein Drittel des Gesamtumsatzes im Bekleidungsmarkt aus und die Umsätze werden sich weiter Richtung online verschieben. Der E-Commerce wird weiter wachsen, aber das Wachstum in diesem Markt wird sich in den kommenden Jahren ähnlich langsam entwickeln wie vor Corona. Denn hier sind die Anbieter am längsten dabei und am professionellsten aufgestellt. Wenige starke Marken haben sich hier etabliert und durchgesetzt, die kaum Freiraum für Neueinsteiger ins Business lassen. Hinzu kommt, dass der Fashion-Bereich die höchsten Retourenquoten händeln muss. Ein Problem, das mittel- bis langfristig nur die ganz großen, finanzstarken Shops stemmen können. Trotz schwieriger Marktsituation entwickelt sich der Onlinehandel im Bekleidungsbereich verhältnismäßig gut. Wir gehen davon aus, dass sich der Online-Anteil bis 2025 auf knapp 40 Prozent Marktanteil vergrößern wird. Dennoch erwarten wir hier eine Marktsättigung im Onlinebereich, die sich aber entgegen der bisherigen Annahme erst später einstellt.

Auch wenn es sich im E-Commerce bisher noch nicht abzeichnet, der Modehandel insgesamt ist gesättigt und hat mit einer Reihe struktureller Probleme zu kämpfen, die nun durch Corona und die damit verbundenen Maßnahmen stark beschleunigt zu Tage treten. Markenhersteller als auch klassische (Einzel-)Händler bekommen den Wandel im Modehandel nun mit aller Wucht deutlich zu spüren. So drängten trotz Konzentration immer mehr neue TeilnehmerInnen in den ohnehin schon wettbewerbsintensiven Markt. Die Dichte an Händlern, Herstellern und international agierenden Akteuren ist extrem hoch. Ein weiteres Probleme im Fashion-Bereich ist, dass sich die Ausgaben für Bekleidung im Vergleich zum verfügbaren Einkommen deutlich reduziert haben. Das liegt nicht daran, dass weniger Kleidung gekauft wird, sondern daran, dass billiger geshoppt wird. Discountern, Billigmarken, dem Preisvergleich im Internet und dem zunehmenden Wegfall von Dresscodes im Geschäftsumfeld sei dank. Das heißt unter anderem, das Preisniveau sinkt und die Margen geraten unter Druck.

Der Modehandel hat massive Probleme - über alle Preissegmente hinweg:
  • Oberes Preissegment: Es fehlen seit einem Jahr schlicht die Anlässe für hochpreisige, anlassbezogene Mode.
  • Mittleres Preissegment: Für viele Händler war bis zum ersten Lockdown der stationäre Handel der wichtigste Kanal. Der Vertrieb über die großen Plattformen (Amazon, Zalando, About You etc.) ist aber - provisionsbedingt - oft so unrentabel, dass - in Verbindung mit unumgänglichen Rabatten - unterm Strich kaum etwas übrig bleibt.
  • Unteres Preissegment: Dieser Bereich hat sich online im vergangenen Jahr verhältnismäßig stabil gehalten. Stationär ist die Insolvenz der französischen Modekette Pimkie aber erst der Anfang. Hinzu kommt, dass viele KäuferInnen dieses Segments aufs Geld achten müssen und die Kauflaune insgesamt erheblich gelitten hat.

"Covid-19 hat eine ungleiche Situation für die Strukturen im Modehandel geschaffen", analysiert Michael Müller , Inhaber und Managing Partner des Beratungsunternehmens ClientLink   , die Lage bereits im Vorjahr. Während viele der großen Omnichannel- oder Online-Pureplayer die Krise noch (relativ) gut überstanden hätten und verlorene Stationärumsätze teilweise online ausgleichen konnten, hatten 2021 vor allem stark stationär geprägte Händler große Herausforderungen zu bewältigen oder sind gar auf der Strecke geblieben.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland zu den. Die Schließung der stationären Geschäfte gerade im umsatzstarken Weihnachtsgeschäft hat die Situation für die ohnehin schon stark gebeutelte Modebranche weiter deutlich verschärft. Aus der Not muss nach Ende der COVID-19-Pandemie jedoch eine Tugend werden: Die bisher kurzfristig getätigten Maßnahmen müssen in mittel- und langfristige Transformationsprogramme übergeleitet werden. Unternehmen benötigen eine strategische Neuausrichtung, die aktuelle Trends wie Digitalisierung, aber auch Individualisierung und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit berücksichtigt.

"COVID-19 hat die ohnehin angespannte Situation der Modebranche deutlich verschärft. Eine Erholung ist nur langsam zu erwarten. Die Pandemie wirkt aber auch als Beschleuniger für die dringend notwendige Transformation der Branche und als Katalysator für neue Geschäftsmodelle", kommentiert Patrick Ziechmann , Partner bei PwC Deutschland und Experte für den Handel und die Konsumgüterindustrie.

(Grafik: Quelle: BEVH, Bitkom, Börsenverein, BVDM, GfK, BVS, IFH, IVH, BTE, BJU; Grafik: HighText Verlag)

Im Fast Fashion Segment gehört die Inditex Gruppe   mit Marken wie Zara, Bershka oder Pull & Bear oder auch H&M   laut Müller zu den Verlierern der Pandemie: Besserung sei kaum in Aussicht, selbst wenn diese ihre Online-Strategie beschleunigt und rasch umgesetzt haben. Zudem seien die kleinen bis mittelständischen Händler im mittleren bis oberen Preissegment weitere große Verlierer der Pandemie. Müller: "Schon zwischen dem ersten und zweiten Lockdown mussten etablierten Marken wie Ted Baker   oder Seidensticker   wegen hoher Preisnachlässe auf das Gesamtsortiment oder teils hohen Rabatten schwere Verluste hinnehmen." Tradierte oder angeschlagene Marken, wie Bäumler   oder Escada   , mussten sogar aufgeben.

Dagegen gehören für den Experten klar die Pure Player im Fast Fashion wie Bonprix   zu den Gewinnern oder Händler mit kaufkräftigen und reiferen Kundensegmenten wie Baur   oder Walbusch   . Das starke Wachstum im Onlinegeschäft ist für Michael Müller auch mit etwa 67 Prozent Anteil auf die Best Ager zurückzuführen. Auch Rabatt- und Community-Anbieter, wie Herrenausstatter.de   oder Bestsecret   , seien in der Lage gewesen, "ihre Kanal- oder Sortimentsstrategie schnell genug und erfolgreich anzupassen".

Bei den Plattformen mit Modeschwerpunkt war Zalando der klare Sieger und habe kräftiges Wachstum vorweisen und sich in der Pandemie behaupten können, wo hingegen Amazon   und Otto   trotz kräftigen Umsatzwachstums in der Modesparte Rückgänge hinnehmen mussten. "Ob Plattformen für die in Straucheln geratenen Anbieter eine wirkliche Chance darstellen, bleibt abzuwarten. Auch Marktplätze muss von den meisten erstmal gelernt werden", betont Müller.

Und doch sucht manch Händler und Hersteller, bei dem es nicht so gut läuft/lief, Schutz unter dem Schirm der großen Plattformen. Zalando   hat ihr Connected Retail-Programm   mit hoher Geschwindigkeit ausgebaut. Mehr als 5.800 Partner und fast 7.000 stationäre Geschäfte sind mittlerweile an die Zalando Plattform angebunden.

(Grafik: Quelle: BEVH, Bitkom, Börsenverein, BVDM, GfK, BVS, IFH, IVH, BTE, BJU; Grafik: HighText Verlag)

Verpennte Digitalisierung, Corona, Pleitewelle

Die Corona-Pandemie und die Lockdowns haben die Bekleidungsbranche besonders hart getroffen. Für sie, insbesondere für die stationären Händler, ist die Krise zum Desaster geworden. Betroffen sind gleichermaßen kleine Einzelhändler wie Traditionsunternehmen und große Mode-Marken. Entsprechend lassen sich bereits seit einigen Jahren Konsolidierungstendenzen in der deutschen Modebranche beobachten. Die Anzahl der Betriebe in der Bekleidungsbranche ist zwischen 2010 und 2019 um fast ein Drittel (31 Prozent) zurückgegangen. Die Konsolidierung der Modebranche vollzieht sich dabei vor allem bei kleineren Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten. Die Studienautoren von PWC beobachten, dass MarktteilnehmerInnen ohne strategische Neuausrichtung verschwinden und für hohe Leerstände in deutschen Innenstädten sorgen. Nur wer die anspruchsvolle Kundschaft mit einem einzigartigen und nahtlosen Einkaufskonzept begeistert, könne bestehen.

Der Umsatz des stationären Textil-, Schuh- und Lederwarenhandels ist im April 2020 infolge des Lockdowns um 71 Prozent eingebrochen. Bereits im März 2020 fielen die Umsätze in den drei Branchen um mehr als 50 Prozent. Insgesamt hat die Corona-Pandemie dem stationären Modefachhandel in der Saison Frühjahr/Sommer 2020 einen historisch einmaligen Umsatzeinbruch beschert. Nach Hochrechnungen des BTE Handelsverband Textil fielen die Umsätze von März bis August gegenüber 2019 um rund ein Drittel. "Boutiquen und Modehäuser haben damit im Vergleich zum Vorjahr etwa fünf Milliarden Euro Umsatz verloren", rechnet BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels vor.

Gleichzeitig hat es massive Verschiebung in Richtung Online-Shopping gegeben. Seit April 2020 hat der Onlinehandel in jedem Monat im zweistelligen Prozentbereich zulegen können. Pangels: "Die Schere zwischen stationärem Modehandel und Online-Handel ist damit weiter auseinander gegangen." Zalando beispielsweise machte nach Einbrüchen im ersten Quartal 2020 im zweiten Quartal 2020 glänzende Geschäfte. Zalando steigerte 2021 das GMV gegenüber dem Vorjahr um 34,1 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro. Das Wachstum wurde durch die anhaltend starke Nachfrage von KundInnen nach Online-Angeboten und die steigende Nutzung von Plattform-Services durch Partner getrieben. Das Ergebnis hat sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 - wie angesichts der schrittweisen Wiedereröffnungen in Europa erwartet - normalisiert. Der Umsatz stieg 2021 um 29,7 Prozent auf 10,4 Milliarden Euro. "Covid führt zu einem Sprung im Online-Shopping", sagte Vorstandsmitglied Robert Gentz bereits 2020. Auf das Niveau vor der Pandemie werde der Markt nicht mehr zurückkehren.

Klar ist, die Probleme des stationären Einzelhandels waren schon vor der Pandemie zugegen. Denn ohne Digitalisierung werden Händler nicht überleben. Die Pandemie dürfte nun auch dem letzten Online-Verweigerer verdeutlicht haben, wie wichtig eine ECommerce-Strategie für Modehändler ist. Das vernachlässigte oder schlicht nicht vorhandene Onlinegeschäft hat viele Händler maßgeblich in eine äußerst missliche, wirtschaftliche Lage geführt; vor allem im Mittelstand. Die Meinung derer "Online rentiere sich nicht" dürfte mittlerweile obsolet sein.

Viele deutsche Modekonzerne und Modehändler haben nun ein fundamentales Problem: Trotz wachsendem Onlinehandel haben sie zu lange nur auf stationäre Läden gesetzt und werden nun von hohen Kosten für ihre zu großen Filialnetze erdrückt. Außerdem wurde während der Schließungsphase weiterhin Ware geliefert, die wegen der langen internationalen Produktionsketten nicht storniert werden kann. Zum anderen verliert die Ware ständig an Wert. Hinzu kommt, dass die unterbliebenen Käufe im Mode-Business nicht aufgeholt werden, da viele KäuferInnen aktuell weniger Geld zur Verfügung haben und die üblichen Kaufanlässe nachlassen, beispielsweise Stichwort: Homeoffice. In der Folge bleiben die Händler auf den Kosten bei vollen Warenlagern sitzen, müssen Standorte schließen bzw. das Filialnetz schmälern und gleichzeitig hohe Investitionen ins Onlinegeschäft tätigen. Zu stark ist die Nachfrage und Verschiebung von Marktanteilen hin zum Onlinevertrieb spürbar.

Rückgang bei Nachfrage, Umsatz und Marktkapitalisierung

Dass die Modebranche bereits vor der Pandemie in Schieflage war, bestätigt die Studie "State of Fashion 2020" von McKinsey & Company   . Demnach erwirtschafteten 55 Prozent aller börsennotierten Mode- und Luxusunternehmen bereits vor der Krise ihre Kapitalkosten nicht mehr. "Die Corona-Krise hat die Konsolidierungswelle in der Modeindustrie extrem beschleunigt", meint Achim Berg , Experte für die Mode- und Luxusindustrie bei McKinsey. Alle Formate und Segmente hätten demnach Finanzierungsprobleme. Aufgrund der Verflechtung der Branche und der Schwere der Krise erwartet McKinsey, dass "die Auswirkungen auf die Unternehmen der Modebranche langfristiger Natur sein werden." Es habe sich gezeigt, dass die Branche als unmittelbare Folge der Krise große Schocks bei der Nachfrage, den Einnahmen und der Bewertung an der Börse erlebt hat.

Die Folgen der Corona-Krise werden einen einschneidenden Moment für die Modeindustrie markieren und die Art und Weise, wie die Branche funktioniert, neu gestalten. "Sobald sich der Staub der unmittelbaren Krise gelegt hat, wird die Mode mit einem rezessiven Markt und einer Industrielandschaft konfrontiert sein, die sich noch immer in einem dramatischen Wandel befindet. Dies wird eine noch nie dagewesene Zusammenarbeit innerhalb der Branche erfordern - sogar zwischen konkurrierenden Organisationen. Kein Unternehmen wird die Pandemie allein überstehen, und die Akteure der Modebranche müssen Daten, Strategien und Erkenntnisse darüber austauschen, wie sie den Sturm bewältigen können", prognostiziert Imran Amed , Gründer und CEO von The Business of Fashion. "Die Krise ist ein Katalysator, der die Branche in einen Wandel stürzen wird - jetzt ist es an der Zeit, sich auf eine Welt nach dem Coronavirus vorzubereiten." Zwar wird eine Phase der Erholung erwartet, diese werde aber "durch eine anhaltende Flaute bei den Ausgaben und einen Rückgang der Nachfrage über alle Kanäle hinweg gekennzeichnet sein", meint Berg.

Die aus der Krise resultierende "Konsumquarantäne" könnte nach Ansicht von McKinsey einige Veränderungen in der Modebranche beschleunigen. Dazu zählen eine wachsende Antipathie gegenüber abfallerzeugenden Geschäftsmodellen und erhöhte Erwartungen an nachhaltiges Handeln sowie den digitalen Wandel.

Es wird in jedem Fall noch eine harte, lange Zeit vergehen, bis der Modehandel zu so etwas wie Normalität zurückkehren wird. "Covid-19 wirkt zudem wie ein Dolchstoß auf den Wertschöpfungsprozess und Trendtreiber der Branche", resümiert Michael Müller.
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