Internet World Expo: Commerce - jetzt ohne "E-"
14.03.2019 Diese Woche fand vom 12. bis 13. März in München die Internet World Expo statt. Um sich deutlicher von Veranstaltungen wie der Dmexco oder dem Onlinemarketing Rockstars Festival abzugrenzen änderten die Veranstalter ihre Strategie und setzten auf mehr Retail und weniger Internet.
Kassensysteme und SEA-Strategien? Content-Marketing für Amazons Marktplatzhändler? Facebook-Advertising für IHK-Mitglieder? Das Konzept der Internet World Expo ließ sich keiner bestimmten Fachrichtung zuordnen.
Dabei dürfte der etwas unklare Fokus keineswegs unerwünscht gewesen sein. Die Messe will sich öffnen. Aus "E-Commerce" wird "Commerce E-Xperience", wie es im Untertitel der Messe neuerdings hieß. Soll wohl bedeuten: Es geht nicht mehr allein um Betreiber von Onlineshops, sondern um alle Händler.
Commerce - jetzt ohne "E-"
Insofern war das Konzept der Internet World Expo schlüssig. Es ging nicht darum, Spezialisten einer bestimmten Digital-Disziplin anzusprechen. Stattdessen sollten sich die Besucher aus einer möglichst breiten - und digital durchaus eher unbeleckten - Zielgruppe rekrutieren, die sich über digitale Marketing- und Verkaufsmöglichkeiten informieren will.Die Messe hat sich damit erneut gewandelt:
- Von der Leistungsschau der Internetwirtschaft (bis etwa 2010)
- über eine reine ECommerce-Messe
- zu einer Messe für Händler, die digitale Kanäle nutzen (seit 2018).
Dahinter steckte allerdings auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, wie ein Blick auf die Besucherzahlen zeigt - gerade wenn diese mit Veranstaltungen wie der Online Marketing Rockstars (OMR) und Dmexco verglichen werden:
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Jetzt Mitglied werdenWährend die Digitalmesse Dmexco mit ihrem klaren Profil ein rasantes Wachstum verbuchte und in der Spitze mehr als 50.000 Besucher anlockte (bis 2017 erstmals Eintrittspreise erhoben wurden), konnte die Internet World Messe - trotz freiem Eintritt - bis heute keine 18.000 Besucher erreichen.
Das ist umso erstaunlicher, als die Internet World die dienstälteste aller Digitalmessen in Deutschland ist. 1997 wurde sie erstmals ausgerichtet und wuchs bis 2001 in Berlin auf über 70.000 Besucher und 900 Aussteller. Es folgte ein steiler Absturz. 2002 halbierte sich die Besucherzahl, 2003 wurde die Veranstaltung in die - ebenfalls strauchelnde - Münchner IT-Messe Systems integriert, die 2008 eingestellt wurde.
Rechtzeitig vor dem Systems-Aus wurde die IW aus der Systems herausgelöst. Der Restart begann als kleine Konferenz für Online-Marketing und E-Commerce in Münchner Hotels. Allerdings war der Internet World Kongress (IWK) von vornherein darauf angelegt, den Nukleus für eine neue Messe zu bilden. Im Unterschied zu den damals übermächtigen Messen Online-Marketing-Düsseldorf (OMD; später: Dmexco) und Mail Order World (MOW, später: Neocom - inzwischen eingestellt) galt zunächst der Fokus auf den süddeutschen Raum als Alleinstellungsmerkmal. Thematisch sollte "die gesamte Wertschöpfungskette" abgebildet werden.
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Jetzt Mitglied werdenDer rasante Aufstieg der Dmexco führte jedoch schon bald die Grenzen dieses Konzepts vor Augen: Die Regionalveranstaltung Internet World würde sich neben der Dmexco nicht mehr zu der bundesweiten Bedeutung führen lassen, die sie einmal hatte. Zugleich zeigte jedoch die Mail Order World (Wiesbaden) Schwächen, die den Schwenk vom traditionellen Versandhandel zum E-Commerce verpasste. Die Lücke schien groß genug: Während die Dmexco erfolgreich das Thema Online-Marketing abdeckte, positionierte sich die Internet World als ECommerce-Messe.
Auch mit diesem Konzept konnte die Internet World Expo allerdings nicht an den Erfolg der Dmexco anknüpfen. Als entscheidender Konstruktionsfehler erwies sich, dass zwar 100 Prozent aller Onlineshop-Betreiber an Marketing interessiert sind - und deswegen sowieso zur Dmexco pilgern -, sich aber bei weitem nicht alle Marketer für E-Commerce interessieren.
Da im Messegeschäft Größe durchaus ein relevanter Faktor ist (und sich nicht jedes Unternehmen zwei Messeauftritte leisten kann), entfaltet die Dmexco bis heute die größere Anziehungskraft. Faktisch sind auf der Dmexco ebenso viele ECommerce-Lösungen zu sehen wie auf der Internet World.
Mehr Erfolg ohne E?
Insofern verwundert es nicht, dass auf der Internet World vor allem die Besucherzahlen immer wieder von den Ausstellern kritisiert wurden. Diese prüfen nicht nur genau die Qualität ihrer Messekontakte, sondern berechnen auch präzise die Leadkosten der verschiedenen Veranstaltungen. Weniger Kontakte bedeuten höhere Kosten pro Kontakt.
Der Blick auf die Besucherzahlen dürfte daher auch der wichtigste Grund sein, weshalb die Content-Marketing Conference & Exposition (CMCx) seit 2016 mit der Internet World stattfindet. Rund 3.500 Gäste besuchen allein diese Veranstaltung - ohne diese Maßnahme wäre das flache Wachstum der Messe (seit 2015 legte sie insgesamt lediglich um 2.500 Besucher zu) wohl gar nicht zu schaffen gewesen. Ein thematischer Überschnitt zur Messe lässt sich dagegen nur schwer entdecken.
Die wichtigste Neuerung dürfte daher die nun vollzogene explizite Öffnung für Händler sein, die sich selbst nicht als (reine) Onlineshop-Betreiber verstehen. Wie in den Vorjahren kreiste die Messe thematisch um Omnichannel-Strategien, Customer Experience, Conversion-Optimierung, Payment und Logistik. Zudem sollten die zahlreichen Sonderschauen Besucher anlocken, die ein fachliches Schwerpunktinteresse haben:
- POS connectEinen besonderen Schwerpunkt bildete die Retail-Messe "POS Connect", die als Sonderschau in die Internet World Expo integriert war. Betreiber stationärer Laden erfuhren dort, wie sie mithilfe digitaler Produkte und Services den stationären Verkauf ankurbeln können. Zu den Ausstellungs-Highlights zählten Beacon-Anwendungen, RFID, Digital Signage, Instore Promotion und VR/AR.
- Digitale Perspektiven für den EinzelhandelDie Konferenz der bayerischen Industrie- und Handelskammern auf der Internet World Expo sollte interessierten Händlern helfen, die richtige Strategie für ihr Unternehmen im digitalen Zeitalter zu finden. Die IHK-Tagung lockte vor allem regionale und stationäre Einzelhändler auf das Messegelände.
- Amazon World ConventionRund 30 Speaker informierten auf dem Kongress parallel zur Messe darüber, wie sich die Besucher und Conversions auf dem Amazon-Marktplatz steigern und Produktpräsentationen verbessern lassen. Der Kongress war auf zwei Tage angelegt.
- Facebook World ConferenceEbenfalls parallel zur Messe, aber nur am schwächeren zweiten Messetag (13. März) fand die Facebook World Conference statt. Rund 10 Speaker aus Agenturen und Unternehmen erläuterten anhand von Praxis-Beispielen, wie Händler den Social-Media-Kanal werbewirksam einsetzen.
- SEO/SEA WORLD ConferenceAn beiden Messetagen fand zudem eine ursprünglich als "Google World Conference" vermarktete Veranstaltung statt. Kurzfristig in "SEO/SEA WORLD Conference" umbenannt, blieb sie sich thematisch treu und lieferte Ideen, wie sich "Mobile Only" oder "Voice First", neue Trends bei SEO und SEA, Youtube und Google umsetzen lassen und wie sich Unternehmen in Google selbst besser vermarkten können.
Ein wenig unverständlich bleibt, weshalb in diesem Veranstaltungsreigen der Internet World Kongress ausgegliedert blieb. Die Konferenz - die einmal die Keimzelle der Internet World Messe bildete - findet auch in diesem Jahr erst im Oktober statt. Die ursprüngliche Idee, die Messe für ein breiteres Händler-Publikum zu öffnen und den hochkarätigen Fachkongress auszugliedern - wurde durch CMCx, Facebook- und Google-SEA-SEO-World ohnehin schon verwässert.
Dominik Grollmann war von 2001 bis 2013 Chefredakteur der Zeitschrift Internet World Business und dadurch auch mittelbar an der Planung zur Internet World Messe beteiligt.